Statuten
der
1. Brunnennachbarschaft
von
Trechtingshausen
Verhandelt zu Trechtingshausen in der Behausung des Schiffers und Wirthes Jacob Weyer am siebten August 1849, Nachmittags 2 Uhr.
Nachdem am letztverflossenen Samstage – den 4ten 1. Mts – als an dem gewöhnlichen Versammlungstage unserer, der vorderen Nachbarschaft der gemeinschaftliche Brunne in üblicher Weise gereinigt worden, eröffnete der Herr Pfarrer Jacob Neuses den Versammelten, daß seine Kgl. Hoheit der Prinz Friedrich von Preußen Höchstwelche dermalen Höchst ihren Wohnsitz auf Burg Rheinstein haben, au die desfallsige Einladung der Nachbaren die huldvolle Herablassung gehabt, sich als Nachbar aufnehmen zu lassen und Händigte in Hohem Auftrage der Nachbarschaft ein Gnadengeschenk von sechs Thalern als Einstand ein. Es wurde beschlossen, daß die Nachbarschaft an dem genannten Tage blos die eingegangenen Gebühren bei dem Nachbaren und Wirthen Herrn Anton Schmitt verzehrt werden, der Verzehr des Gnadengeschenkes aber auf den heutigen Tag verschoben und dieser Gelegenheit zugleich die altherkömmlichen Bräuche festgesetzt und in ein Buch eingetragen werden sollten. Um dieser Festlichkeit der Nachbarschaft eine höhere Weihe zu geben, wurde diesen Morgen ein gemeinschaftliches Amt – Singmesse – abgehalten, in welchem die ältesten Nachbaren Andreas Edinger und Georg Platz I und die zeitigen Brunnenmeister Christian Hanns und Mathias Coblenz zum Opfer gingen. Darauf versammelten sich auf die speciellen Einladungen des Brunnenmeisters Christian Hanns die Nachbaren zur angegebenen Stunde in dem gegenwärtigen Lokale, und wurden von dem durch den Lehrer Collé vorgelegten Entwurfe folgende Paragraphen nach reiflicher Überlegung und nach wohlgeführter Debatte als für jeden Nachbar bindend festgestellt:
- Umfang der Nachbarschaft
- Die vordere Nachbarschaft bleibt in ihren alten Grenzen; dazu gehören ferner die Mühlen der Morgenbach, die Burg Rheinstein und der Veitsbergerhof. [1]
- Jeder Selbständige, der in diesem Bezirk wohnt, ist Nachbar, sobald er die in den §§ 3 & 4 dieser Statuten festgesetzten Bestimmungen erfüllt hat.
II. Aufnahme der Nachbarn
3. Wer der Nachbarschaft beitreten will, zeigt dieses dem zeitigen Brunnenmeister an, welcher ihn der Versammlung vorschlägt, die alsdann seine Aufnahme bestimmt.
4 .Minderjährige können als Nachbaren nicht aufgenommen werden.
5. Die Aufnahme geschieht bei den jährlichen Versammlungen
6. Wer ausgezogen und wieder in die Nachbarschaft einzieht wird wieder Nachbar, ohne daß es irgend einen Einstand giebt.
III. Verpflichtungen der Nachbarn
7. Die Nachbaren sind verpflichtet, sich gegenseitig mit Rath und That beizustehen und sich namentlich bei allen Gefahren nach Kräften zu helfen.
8. Bei Sterbefällen haben die Nachbaren das Sterbegeläute zu besorgen, die Leiche zu bewachen und die leidtragende Familie bei Anordnung des Begräbnisses zu unterstützen.
9. Bei Begräbnissen haben die Nachbaren nebst der Besorgung des Geläutes die Leiche zu tragen, die Leuchten und sonstigen Geräte, die allenfalls zur Verschönerung des Begräbnisses beschafft werden dürften, ebenso vorzubeten; und hat jeder Nachbar sich durch irgend ein Glied seiner Familie sich bei dem Leichenzuge zu betheiligen.
10. Wer sich einer Dienstleistung in dieser Hinsicht entzieht, bezahlt den für ihn Eingestellten.
11. Die verschiedenen Dienstleistungen werden von dem Brunnenmeister unter die Nachbaren der Reihe nach vertheilt.
IV. Der Brunnen
12. Die Nachbarschaft besitzt als Gemeingut einen Brunnen, gelegen an der Südostseite des Dorfes.
13. Die Nachbarschaft, namentlich die zeitigen Brunnenmeister haben streng darauf zu halten, daß die Gerechtsame[2]des Brunnens auf keiner Weise verkürzt werde, daß das Wasser nicht verunreinigt und die nöthigen Reparaturen rechtzeitig besorgt werden.
14. Die Reinigung des Brunnens soll jährlich am Kirchweihdienstage und sonst so oft es für nötig erachtet, auf die Anordnung der Brunnenmeister stattfinden.
15. Wer wahrnimmt, daß der Brunnen verunreinigt ist, hat dies unverzüglich dem Brunnemeister anzuzeigen und dieser hat die sofortige Reinigung zu veranstalten.
V. Versammlungen
16. Die Nachbaren versammeln sich regelmäßig am Kirchweihdienstag nach der Brunnenreinigung, um die gemeinsamen Angelegenheiten zu besprechen, die Brunnenmeister zu ernennen und die nöthige Anordnung der laufenden Geschäfte zu treffen.
17. Die Versammelten ernennen einen Vorsitzenden und einen Secretär; zudem werden die Brunnenmeister für das laufende Jahr ernannt und ich meldende Nachbaren aufgenommen.
18. Die Brunnenmeister machen die namhaft, die während des verfl. Jahres ihrer Nachbarpflicht nicht nachgekommen sind, und diese haben sich zu rechtfertigen.
19. Die Versammlungen werden in dem von den Nachbaren bei Reinigung des Brunnens bestimmten Lokale abgehalten.
20. Der Brunnenmeister hat die Nachbaren regelmäßig zu den Versammlungen einzuladen.
21. Familien, deren Hausvater verstorben ist, werden durch den ältesten Sohn der Familie vertreten; doch hat dieser nur Stimmrecht, wenn er großjährig ist.
IV. Vorstand
22. Die Brunnenmeister führen während des Jahres die Geschäfte der Nachbarschaft; bei den Versammlungen ernennen die Nachbaren einen Vorsitzenden und Secretär, wie in § 17 angegeben.
VII. Einkommen der Nachbarschaft
23. Jeder eintretende Nachbar bezahlt 20 +er[3] Eintritt.
24. Die neu ernannten, sowie die abgehenden Brunnenmeister zahlen jeder 20 +er Eintritts resp. Austrittsgeld.
25. Kommen auswärtswohnende an die Reihe, diese Stelle zu übernehmen, so zahlen diese 20 +er Ein- und 20 +er Austritt und die Stelle wird der Reihe nach weiter vergeben.
26. Jeder Nachbar zahlt einen jährlichen Beitrag von drei Silbergroschen. Über die Verwendung der Beiträge bestimmt die Versammlung[4]
27. Auswärtige zahlen jährlich fünf Silbergroschen als Beitrag, bleiben aber von den gegenseitigen Dienstleistungen verschont.
Nachträgliche Bestimmungen
28. Der Nachbar Johann Hanns hat sich erbeten, bei Begräbnissen das Amt eines Vorbeters bleibend zu übernehmen; derselbe bleibt daher von anderen Dienstleistungen verschont.
29. Sollte sich einer der §.§. dieser Statuten als unzweckmäßig erweisen, so kann dessen Abänderung nach dem Beschlusse der Versammlung geschehen
Nachdem die vorstehenden Statuten festgesetzt waren, wurde das Gnadengeschenk des neueingetretenen Nachbars, Seine Königl. Hoheit des Prinzen Friedrich von Preußen in größter Einigkeit verzehrt, bei welcher Gelegenheit dem Hohen Geber ein Hoch gebracht ward.
Als Nachbarn wurden in diesem Jahr aufgenommen:
- Seine Königliche Hoheit der Prinz Friedrich von Preußen
- Friedreich , Höchstwerten Leibkutscher
Brunnenmeister für das laufende Jahr sind:
- Christian Hanns
- Mathias Coblenz
Worüber diese Verhandlung aufgenommen und von sämtlichen anwesenden Nachbaren nach Vorlesung unterschrieben wurde, am Tage wie oben.
Originaltext aus der Chronik der 1. Brunnennachbarschaft, Band I
Trechtingshausen den 4. August 1947
Da das im Jahr 1849 begonnene Protokollbuch vollgeschrieben ist und das Geschehen von 98 in jährlichen Berichten darin aufgenommen ist, sollen die im Jahre 1849 beschlossenen Statuten in der, der heutigen Zeit entsprechenden Form in dieses neue Protokollbuch eingetragen werden.
I. Umfang der Nachbarschaft
Die 1. Nachbarschaft umfaßt das Franzosenhaus [5], Böppchen, Schweizerhaus, Burg Rheinstein, das Morgenbachtal und die Bewohner der Häuser von Johann Nierad beginnend bis zur Haus-Nr. 71 (Winzerhaus) [6]
II. Aufnahme der Nachbaren
Jeder der in den oben bezeichneten Gemeindebezirk zuzieht, wird Nachbar, sobald er den üblichen Einstand entrichtet und volljährig ist.
III. Pflichten der Nachbaren
1. Die Nachbaren sind verpflichtet, sich gegenseitig mit Rat und Tat beizustehen und sich bei allen Gefahren zu helfen.
2. Bei Sterbefällen haben die Nachbaren nach Anordnung der jeweiligen Brunnenmeister zu läuten und die Leiche auf den Friedhof zu tragen beziehungsweise mit dem durch die Gemeinde beschafften Leichenwagen zu fahren. Das Verbringen des Leichenwagens in den Aufbewahrungsraum ist ebenfalls Sache der Nachbaren und sollte der Wagen nicht den Schulkindern überlassen werden.
3. Für die richtige Reihenfolge beim hinausfahren der Leiche ist der Brunnenmeister verantwortlich.
4. Sollte ein Nachbar der an der Reihe ist verhindert sein, so hat er dies dem Brunnenmeister mitzuteilen und ist verpflichtet, bei der nächsten Beerdigung sein Pflicht als Nachbar nach Bestellung durch den Brunnenmeister nachzuholen.
IV. Der Brunnen
Die Nachbarschaft besitzt als Gemeingut einen Brunnen, gelegen an der Südostseite des Dorfes.
Die Nachbarschaft, namentlich die jeweiligen Brunnenmeister haben streng darauf zu achten, daß die Gerechtsame des Brunnens auf keine Weise verkürzt werden, daß das Wasser nicht verunreinigt wird und die nötigen Reparaturen rechtzeitig besorgt werden.
Die Reinigung des Brunnens soll jährlich am Kirchweihsamstag und so oft es für nötig erachtet wird auf Anordnung des Brunnenmeister stattfinden.
Wer wahrnimmt, daß der Brunnen verunreinigt ist, hat dies dem Brunnenmeister zu melden, der dann die sofortige Reinigung veranlassen muß.
V. Versammlungen
Die Nachbaren versammeln sich regelmäßig am Kirchweihmontag oder Dienstag in einem von den abgehenden Brunnenmeister bestimmten Lokal, um die gemeinsamen Angelegenheiten zu besprechen, die Brunnenmeister zu ernennen und etwa nötigen Anordnungen für das folgende Jahr zu treffen.
Die Versammelten ernennen einen Vorsitzenden und einen Sekretär. Zudem werden die Brunnenmeister für das laufende Jahr ernannt und sich meldende Nachbarn neu aufgenommen.
Die Brunnenmeister machen die namhaft, die während des Jahres ihrer Nachbarschaftspflicht nicht nachgekommen sind und diese haben sich zu rechtfertigen.
Die Brunnenmeister haben die Nachbarn zu den Versammlungen einzuladen.
Familien, deren Hausvater verstorben ist, werden durch den ältesten Sohn vertreten. Doch hat derselbe nur Stimmrecht, wenn er großjährig ist.
VI. Vorstand
Die Brunnenmeister führen während des Jahres die Geschäfte der Nachbarschaft, bei den Versammlungen ernennen die Nachbarn einen Vorsitzenden und Sekretär.
VII. Einkommen der Nachbarschaft
Jeder neu eintretende Nachbar bezahlt 1 Mark Eintrittsgeld. Die abgehenden sowie die übernehmenden Brunnenmeister zahlen 3 Mark.
Sollte Jemand aus irgend einem Grund das Amt des Brunnenmeisters nicht übernehmen, so hat er 3 Mark Eintrittsgeld und 3 Mark Austrittsgeld zu zahlen und die Stelle wird der Reihe nach weitervergeben.
Für jedes verstorbene Mitglied zahlt die Familie 3 Mark. Über die Verwendung der eingegangen Gelder beschließt die jährliche Nachbarschaftsversammlung.
Originaltext aus der Chronik der 1. Brunnennachbarschaft, Band II, Mai 1985
- Schweizerhaus ↩︎
- Vorrecht ↩︎
- Kreuzer (Münze) ↩︎
- Diese Vorschrift wurde durch Beschluss der Versammlung vom 3. August 1850 aufgehoben. ↩︎
- Früher Hotel Schöneck, Im Juli 1975 abgerissen ↩︎
- Der Nachbarschaftsbezirk umfaßt heute die Mainzer Straße rechts und links bis zur Höhe des Winzerhauses, Glockengasse bis zur Einmündung der Rosengasse, Römerstraße ab der Einmündung der Rosengasse, Bahnhofstraße und Burgweg ↩︎